Freitag, 1. Februar 2013

Alter Eichenwebstuhl


Als ich Helgas Dornröschen-Post sah, habe ich mich an meinen alten Eichenwebstuhl erinnert.
Ich habe ihn in den frühen 80ern von Freunden geschenkt bekommen, die sich im Nachbardorf ein altes Fachwerkhaus gekauft hatten. Dort stand er, zerlegt in seine Einzelteile, zusammen mit diversem Zubehör auf dem Speicher.
Bis auf den Warenbaum, für den mein Mann später einen großen alten Eichenbalken bearbeitet hat, waren alle Teile noch vorhanden.


Das alte Spulengestell, auf dem Bild hinten in der Ecke gehörte zum Zubehör, daneben hängt einer von mehreren alten Reedekämmen, rechts am Kettbaum sieht man die alte Garnwinde.
Anfangs hatte ich Probleme, den Webstuhl zusammenzubauen, da die Seitenteile bei vielen alten deutschen Webstühlen  genau andersherum, als wir es heute gewöhnt sind, orientiert waren. Als mir das endlich klar wurde, war der Aufbau einfach zu bewerkstelligen.

Hilfreich war, dass ich zu der Zeit gerade Volkskunde an der Uni Göttingen studierte und Zugang zur entsprechenden Literatur hatte.
So fand ich u.a.  bei Wilhelm Bomann: Bäuerliches Hauswesen und Tagewerk im alten Niedersachen (1927, Reprint Hildesheim, 1977) im Kapitel "Das Weben", Abbildungen, die dem Typ meines Webstuhls entsprachen.




Hier die Seitenansicht, die die heute ungewöhnliche Orientierung der Seitenteile deutlich macht. An der Anschlaglade ist erkennbar, wo der Weber sitzt,  das eingebaute Sitzbrett, ist rechts im Bild dunkel dargestellt ist. 





Dieses Bild zeigt  die gleiche Orientierung, wie meine Fotos, im Vordergrund sieht man den Kettbaum, der Weber sitzt hinten zwischen den Seitenteilen.



Foto: Reiner Schmidt, Katlenburg-Lindau
 

Der Webstuhl hatte nur zwei Schäfte und  wurde früher offensichtlich dazu benutzt, Säcke zu weben. Erkennbar war das am Zubehör. Hinter dem kleinen modernen Kothe Nordia von Varpapuu, hängt ein altes Webgeschirr an der Wand.




Es besteht aus den beiden Schäften und einem Kamm mit einem Rest der letzten Kette, hier ein feines Baumwollmaterial, möglicherweise für Mehlsäcke. Vorn am Kamm hängt ein ca.10 cm großes Stück fertiges Gewebe, hinter den Schäften sind die Kettfäden nur lose zusammengeknotet. Es fanden sich noch weitere Geschirre mit Resten anderer Garnqualitäten und den entsprechenden Kämmen auf dem Speicher.




Um Zeit zu sparen, wurde der Webstuhl früher nicht jedesmal von Grund auf neu eingerichtet, man hängte nur das passende Geschirr ein, bäumte die Kette mit Hilfe eines Reedekamms auf den Warenbaum und knotete dann Faden für Faden an die alte Kette. Dann wurde die neue Kette vorsichtig durch die Litzen der Schäfte und den Kamm gezogen und an einer Leiste befestigt. Diese Leiste legte man in eine passende Nut vorn am Brustbaum und begann zu weben. Hatte man ein Stück gewebt, wurde die Leiste am tiefer liegenden Warenbaum befestigt. Dadurch brauchte man keine Anlängerschnüre oder Webschürzen.  



Die Kämme wurden seinerzeit nicht aus Metall hergestellt, sie bestanden aus längsgeteilten Riedgrasabschnitten


Ich habe noch drei Kämme in den Einteilungen 50/10, 70/10 und  90/10, die man alle auch noch in modernen Webstühlen benutzen kann.


Hier noch zwei alte Reedekämme mit abnehmbaren oberen Rahmenteilen. Heutige Reedekämme haben ja eine Zehnerteilung, früher hatte man offenbar verschiedene Kämme, in die man je nach Gewebedichte einfach die Fäden einlegen konnte, um sie gleichmäßig auf dem Kettbaum zu verteilen.



Die Markierungen auf den Redekämmen kann ich leider nicht interpretieren.



Ein Schiffchen und der Rest eines Breithalters sowie die Garnwinde, links auf dem unteren Foto gehörten auch noch zu dem Speicherfund.


Der Webstuhl ist ein regelrechtes Ungetüm und das obwohl er nur eine Webbreite von 100 cm hat.  Als ich ihn geschenkt bekam, wohnten wir in einem alten Fachwerkhaus, in dem ich ein winziges Webzimmer hatte, in das gerade mal mein Glimåkra Ideal hineinpasste.



Das Bild ist von 1981, die Litzen haben ein Metallauge und für die Aufbindung habe ich damals Hanfschnüre verwendet. Sobald Texsolv verfügbar war, habe ich den Webstuhl umgerüstet, die Litzen und die Hanfschnüre konnte ich aber sehr gut für den alten Webstuhl gebrauchen, als ich ihn schließlich Anfang der 90 erstmals anläßlich eines Dorfjubiläums zum Schauweben ernsthaft aufgebaut und eingerichtet habe. Selber weben konnte ich damals nicht, da wir in Urlaub waren, darum haben zwei Freundinnen das Weben übernommen und Rohwollteppiche hergestellt.

Die hier gezeigten Bilder sind 2005 entstanden. Damals feierten die Dörfer unserer Gemeinde ihr 900-jähriges Bestehen und wieder wurde altes Handwerk vorgeführt. 

Nach den Festlichkeiten hat eine Freundin den Webstuhl übernommen und ihn später an ihre Nichte weitergegeben, die mittlerweile mit ihrer Familie das Haus gekauft hatte, aus dem Webstuhl ursprünglich stammte. So ist er also nach mehreren Jahren, in denen er immerhin noch ein paar Mal aktiviert wurde, wieder an seinen Ursprungsort zurückgekommen.




Jetzt möchte ich noch zeigen, was ich während der 900 Jahr-Feier gewebt habe: einfache Tischsets mit Nialin in Kette und Schuss.






9 Kommentare:

  1. Wow, ich war gerade ganz fasziniert. Es ist so schön das der Webstuhl wieder an seinen Platz gefunden hat.

    Danke für diesen Beitrag.
    Viele liebe Grüße von

    Bärbel

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  2. Hallo Maliz,
    danke für diesen ausführlichen und SEHR interessanten Bericht!!! Und danke, dass du mich darauf aufmerksam gemacht hast! Ich werde den Link dazu meiner Freundin (die mit dem alten Webstuhl) weiterleiten. Das wird sie sicher freuen.
    Die Tischsets gefallen mir übrigens auch sehr gut. Die Anzahl der verwendeten Schäfte bestimmt nicht die Schönheit eines Gewebes!

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  3. Tack för en fin vävstols-historia, har själv fått en massa gamla vävstolar, men eldat upp dom eller gett bort dom och har nu bara Öxabäck, Glimåkra och Bergåvävstolar. Bordtabletterna
    är jättefina

    Kram från Barbro

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    1. Vad synd att du eldade upp dina gamla vävstolar men det är klart att man har inte tillräckligt plats att samla allt och i Sverige finns det ju gott om vävstolar, det är lite annorlunda i Tyskland.

      Ha det så bra!
      maliz

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  4. Danke für Deinen Netten Kommentar ,den Sommer über in Schweden
    verbringen das würde ich auch gerne . Deine Sets gefallen mir sehr.
    LG Patricia

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  5. Hihi, ich habe auch mal Volkskunde studiert! In wilder Mischung mit Klass. Archäologie, Ur- und Frühgeschichte und Ethnologie in Freiburg und Hamburg. Hast du einen Abschluss gemacht? Ich nicht, bin umgestiegen auf Bibliothekswesen.
    Schön, der alte Webstuhl! Und die Tischsets sind klasse!! LGs, Petra

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    1. Ist ja witzig, ich habe auch keinen Abschluss gemacht. Für mich war es ein Zweitstudium, ich hatte Biologie in Köln abgeschlossen und fand hier keinen Job. Ein Bekannter studierte Volkskunde, ein Fach, von dem ich vorher noch nie etwas gehört hatte, das ich aber interessant fand. Also habe ich mich immatrikuliert. In Volkskunde habe ich inklusive Zwischenprüfung alle Scheine gemacht aber ich konnte mich für kein Nebenfach lange genug erwärmen, erst habe ich Skandinavistik ausprobiert, dann auch Ur-und Frühgeschichte und schließlich Medizingeschichte und Wissenschaftsgeschichte. Diese beiden Fächer haben mich aber dann gleich so beeindruckt, dass ich die Volkskunde nicht weiterverfolgt habe und stattdessen eine Zeit lang in der Medizingeschichte gejobbt habe, was aufgrund meines Biostudiums möglich war.

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  6. Die Geschichte des Webstuhls ist wirklich mitten aus dem Leben. Erfahrungsgemäß weiß ich, dass viele Weber von Bauerwebstühlen diese nicht so gerne hergeben, da sich toll auf ihnen arbeiten lässt. Viele machen sich sogar die Mühe und rüsten diese auf. Leider hat nicht jeder so viel Platz.

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    1. Da hast du Recht, die Webstühle sind aber sehr unterschiedlich. Dieser hier ist ein sehr einfacher, und grobschlächtiger Webstuhl, der wohl nur zum Weben von Säcken benutzt wurde. Es ließ sich nicht wirklich gut damit weben und es wären große Umbaumaßnahmen nötig geworden, um ihn aufzurüsten. Letztendlich hätte man dann bestenfalls einen mehrschäftigen Webstuhl in einem "historischen" Monumentalgerüst gehabt.
      LG
      maliz

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