Mittwoch, 31. Mai 2023

Musterscheiben drucken für den Weberknecht

 

Weberknecht Kapitel 6 


Hier hängt mein neuester Schal am Geländer einer kleinen Fußgängerbrücke, die über den Virserumsån führt.

 


Der Schal ist mit dem Weberknecht in Köperbindung gewebt und das wieder einmal mit 4-fädiger Sockenwolle. 
Sockenwolle gibt es heutzutage in so vielen schönen Unifarben und Printmustern, dass sie gerade auch für Webanfänger als leicht zu beschaffendes und oft auch preiswertes Material gut geeignet ist, z.B. für einen ersten Schal am Rigid Heddle Rahmen.  Mit einem Gatterkamm der Einteilung 4 Fäden pro cm erhält man damit ein schönes, lockeres Gewebe in Leinwandbindung wenn der Schuss nicht zu dicht angeschlagen wird.
Bei Köperbindungen sieht sie Sache allerdings anders aus, hier wäre eine etwas dichtere Einteilung besser angebracht aber da Sockenwolle fast immer superwash ausgerüstet ist, lässt sie sich auch durch Waschen nicht anfilzen und so verdichten und stabilisieren. Die Fäden bleiben leicht verschiebbar und einen Köperschal mit 4 Fäden pro Zentimeter sollte man lieber vorsichtig behandeln. 
 
Schon seit einiger Zeit wollte ich wissen, wie sich Sockenwolle, gewebt mit 5 Fäden pro Zentimeter, im Weberknecht-Rahmen verhält. Cara und Gerd hatten mich im Laufe der Weberknecht Entwicklung gut ausgerüstet mit 30er, 40er, 60er und sogar 80er Musterscheiben, aber ausgerechnet die 50er fehlten mir noch.
Bei der Entwicklung des Weberknechts haben Gerd und Cara die Hardware konstruiert und gedruckt, meine Aufgabe war im wesentlichen das Testweben, denn vom 3D-Drucken hatte ich keine Ahnung.
Tatsächlich hatten mein Mann und ich, schon lange vor Beginn des Weberknecht-Projekts, einen Anycubic 3D-Drucker gekauft, ihn aber noch nie ausprobiert, weil immer etwas anders wichtiger war.
Jetzt aber war plötzlich meine Motivation, den Drucker in Gang zu setzen, groß genug um mich zum Handeln zu bewegen.



 
In der Tat war es einfacher als gedacht, den Drucker zum Laufen zu bringen. Wir haben ein recht simples Modell, so dass es etwas Geduld erforderte, die Druckplatte manuell zu nivellieren (bessere Geräte machen das automatisch), aber danach funktionierte das Gerät erstaunlich gut.

 

 

Nach einem kleinen Probedruck habe ich als erstes drei Sortierkästen für meine gewünschten 50er Musterscheiben  gedruckt. 

Die STL Dateien für passende Kästen und für alle anderen Druckteile  sowie eine genaue Beschreibung und die Materialliste für den Rahmenbau gibt es kostenlos auf der Notion Seite für das Projekt Weberknecht.


 

Hat man sich die passende STL Datei runtergeladen muss man sie mit einem speziellen Programm "slicen", so dass der Drucker erkennt, was er zu tun hat. Ich benutze dafür den Prusa Slicer.

Im Fall unseres Druckers musste ich das Ergebnis, den sog. G-Code nur auf eine SD Karte kopieren, diese in den 3D-Drucker stecken und den Druckvorgang starten.

All diese Vorgehensweisen werden sehr gut in vielen YouTube Videos erklärt, von denen ich mir etliche vor Beginn meiner praktischen Arbeit mit dem Drucker angesehen habe.

 

 

Nach dem erfolgreichen Druck der Kästen habe ich dann mit dem Druck der Musterscheiben für die Webwalze des Weberknechts begonnen.

 

 

 
Die Musterscheiben haben unterschiedliche Seiten,  bei der rechts abgebildeten Scheibe sieht man oben die beiden hervorstehenden Kettheber und den Mittelring, auf dem der untere Kettfaden zu liegen kommt. Auf dem linken Bild, das die andere Seite der Scheiben zeigt,  sind die Gegenstücke für die Kettheber in allen 4 Ecken und für den Mittelring zu sehen.. Kettheber und Mittelring müssen in diese Vertiefungen passen, damit die Scheiben dicht genug aneinanderliegen.
 
 
 
Auf dem Bild oben, ist zu sehen, dass mein erster Druck (links) die Vertiefungen nicht richtig ausführte. Nach Rücksprache mit Gerd habe ich gelernt, dass für ein besseres Ergebnis bei meinem Drucker u.a. die Kalibrierung der Zuflussmenge des Kunststoffs nötig sein könnte. 
Dafür habe ich mir die Druckdatei für einen sog. flow calibration cube bei Printables heruntergeladen, gesliced, gedruckt, vermessen und dann nach der auf der Downloadseite angegebenen Formel berechnet. Der errechnete Wert wird dann an entsprechender Stelle im Slicer Programm eingetragen, die Musterscheibe nun erneut gesliced und gedruckt. Sollte das Ergebnis noch nicht zufriedenstellend sein, kann man weitere Probedrucke mit leicht geänderten Werten ausführen. 
Das klingt vielleicht alles sehr kompliziert, war aber auch für einen Laien wie mich, Schritt für Schritt, gut nachzuvollziehen.
 
Sollten solche oder ähnliche Probleme beim Bau oder 3D-Drucken des Weberknechts auftreten, bieten wir Unterstützung an:
Auf der Notion Site des Projekts Weberknecht  gibt es unter Punkt 10 einen Link, über den ihr euch auf dem Slack Server anmelden könnt, um dem Kanal #projekt_weberknecht_support beizutreten.
 

 
 
Nachdem meine Scheiben nun ineinanderpassten, habe ich noch einmal den Slicer bemüht, um einen neuen G-Code zu erstellen, der den Drucker nun so steuert, dass gleich vier Musterscheiben bei einem Druckvorgang erzeugt werden. 
 
Als alle Musterscheiben fertig waren, brauchte ich noch 2 Randscheiben, die so beschaffen sind, dass der Kettfaden immer in mittlerer Höhe auf einem größeren Mittelring liegen bleibt. Durch diese Stellung funktioniert dieser Kettfaden wie ein ungelitzter Stehfaden, der bei Köperbindungen dafür sorgt, dass die Randfäden immer abgebunden werden, wenn man an einer Seite mit dem Schussfaden über und an der gegenüberliegenden unter den Kettfaden geht.

Ich habe meine Scheiben in zwei Farben gedruckt, das ist sehr praktisch beim Aufstecken auf die Achse, da so der Beginn und/oder das Ende von Rapporten markiert werden kann.
 

 

Die Sortierkästchen fassen Scheiben für 10 cm Webbreite, eigentlich hätten also 50 Stück in jeden Kasten gepasst, beim Nachzählen waren es aber nur 47 Stück. So ganz genau war also meine Kalibrierung nicht geworden. Der kleine Unterschied hat mich nicht gestört, es ist nur wichtig zu wissen, dass in diesem Fall bei voller Ausnutzungs der Webbreite meines Rahmens von 25 Zentimetern, nicht 125 Kettfäden sondern nur 118 auf die Walze passen und ich mein Muster dementsprechend berechnen muß.
 
 

 
Endlich war es so weit, die Walze ist mit dem gewünschten Muster, einem M & W Köper,  bestückt und Kette ist geschoren, das Bäumen kann beginnen. 
Der Weberknecht lässt sich natürlich auch direktbäumen, weil die Kettfäden einfach von oben in die Schlitze zwischen den Musterscheiben eingelegt werden. Manche finden diese Vorgehensweise praktischer, ich sitze meist lieber gemütlich mit meiner vorbereiteten Kette am Tisch, orientiere mich am Fadenkreuz und lege die Fäden in die Walze ein.
 
 


Am Anfang und Ende des Gewebes, befestige ich bei Schalgeweben gerne den ersten bzw. letzten Schuss mit einem überwendlichen Stich. 

 


Durch das wunderbar sonnige Maiwetter war es möglich, dass ich beinahe den ganzen Schal draußen weben konnte.


 
 
Die dichtere Einteilung von fast 50/10 macht sich bei der verwendeten Sockenwolle positiv bemerkbar, die Fäden gleiten glatt durch die Spalten zwischen den Scheiben und das dichtere Gewebe wirkt stabiler als in der lockereren Ausführung mit 4 Fäden pro Zentimeter. 
Aber meine Farbwahl ist nicht gut gelungen. Der Kontrast zwischen dem Mittelgrau und dem Senfgelb ist zu gering, dadurch tritt das Muster nicht  deutlich genug hervor Es entsteht eher ein etwas verwirrender Eindruck.
 


Auch nach der Wäsche ist die Grafik des Musters nur schwach zu erkennen und macht eher einen verschwommenen Eindruck. Welch großen Einfluß ein höherer Farbkontrast hat, kann man bei meinem Schal im vorangegangenen Blogbeitrag gut sehen.


 
 
So bin ich mit dem Ergebnis, die Webdichte betreffend sehr zufrieden, das Farbzusammenspiel gefällt mir aber gar nicht.
 
 

Auch wenn der Schal nicht so ausgefallen ist, wie ich es mir vorgestellt habe, hat das ganze Projekt viel Spaß gemacht. ich hätte nie gedacht, dass mir das Arbeiten mit dem 3D Drucker so gut gefallen würde! 

Ich bleibe auf jeden Fall dabei und habe schon damit begonnen, mir selber einen weiteren Fächerkamm zu drucken, nach dem, von Cara mittlerweile modifizierten Muster.  

 

 

Nachtrag 20.11.2023: Kauf eines Weberknechts

Wir werden immer wieder gefragt, ob und wo man einen Weberknecht kaufen kann. Konzipiert ist der Weberknecht als Do It Yourself-Projekt. Da aber nicht alle gern mit Holz arbeiten oder gar einen 3D Drucker haben, hat Cara sich jetz bereit erklärt, in kleinem Umfang und nur auf Bestellung, Weberknecht-Webrahmen herzustellen.

Auf ihrer Website cara´s favourites, gibt es unter dem Link

Weberknecht - wie jetzt?   dazu weitere Informationen.








1 Kommentar:

  1. jetzt dachte ich im ersten Moment wirklich, Du hast die Scheiben nach der Farbe des Garns gedruckt 😂Ich finde die Farbzusammenstellung gar nicht so schlecht. Das Muster geht zwar etwas unter, aber wenn man den Schal um den Hals legt, ist es doch wichtiger, dass er wärmt. Ok, vielleicht nur bei mir 😉
    Dass Du Dich so fast allein durch das 3D-Drucken gewuselt hast, ist unglaublich. Ich habe mehrere Anläufe bei unseren Druckern genommen und habe jedes Mal wutentbrannt oder ungläubig den Schwanz eingezogen. Bis ich den kleinen Prusa von Gerd geliehen bekommen habe. So einfach zu bedienen und einzurichten, dass sogar ich das am Ende freudestrahlend hingekriegt habe 😎 Nun habe ich genau so einen und von Idee-zeichnen-slicen-drucken-benutzen ist es jetzt nur noch ein Schritt.

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