Samstag, 13. Juli 2013

Webstuhl zum Nulltarif





Im Juni hatte ich von meinem Webstuhlkauf berichtet, einen Glimåkra Standard mit 120 cm Webbreite und viel Zubehör hatte ich für 1000 Kronen erstanden, also etwas mehr als 100 €. Der Webstuhl war mit 4 Schäften und 6 Tritten ausgerüstet, ich möchte aber gern mit 10 Schäften weben können. Die fehlenden Tritte allein hätten schon 620 Kronen gekostet und mit den noch benötigten Schaftleisten wäre ich auf wesentlich mehr als 1000 Kronen gekommen. Daher habe ich weiterhin Annoncen studiert, um eventuell noch einen günstigen Webstuhl dazu zu kaufen und so u.a. die Möglichkeit zu haben, die Schaftanzahl zu komplettieren. Da die Seitenteile bei allen Standardwebstühlen gleich lang sind, sind auch die Tritte für diese Webstühle, unabhängig von ihrer Webbreite nutzbar.
Darum war ich natürlich sofort interessiert, als ich in einer Anzeige las, dass ein Glimåkra Webstuhl mit 150 cm Webbreite verschenkt werden sollte.



Wieder führte uns die Fahrt ans Meer, diesmal in den Süden in die ca.160 km entfernte Stadt Karlskrona.


Nach einem Picknick am Badestrand, wo wir über lange Zeit ein gar nicht scheues Blässhuhn bei der Futtersuche beobachten konnten, trafen wir am frühen Nachmittag Gunilla, die ihren Webstuhl aus Platzgründen abgeben wollte.





Im Vorwort des Bindungslehrebuchs Varp och inslag von Marianne Eriksson, Gunnel Gustavsson und Kerstin Lovallius ist zu lesen, dass die Schweden auf eine lange ungebrochene Webtradition zurückblicken können. Hier wurde das Handweben nicht aufgegeben, als sich Mitte des 19. Jahrhunderts die Industriealisierung mit aller Macht durchsetzte. Durch die Hemslöjdbewegung und Ausbildungsmöglichkeiten im Rahmen von Gymnasium und Studienzirkeln war das Handweben weit verbreitet.. Sogar heute noch gibt es die vielen vävstugor, und  viele WeberInnen, die im Riksföreningen för Handvävning  engagiert sind.
Aber auch in Schweden hat die Weberei in den 80er Jahren einen besonderen Boom erlebt.
In dieser Zeit existierten etliche Webstuhlfabriken, Material gab es bei zahlreichen Händlern zu kaufen, jeder Hemslöjdladen führte Webgarne und Zubehörteile, überall wurden Kurse angeboten und viele der Webinteressierten kauften sich Webstühle, oft genug besonders große, um damit alle Möglichkeiten zu haben. Wer eine große Leinentischdecke weben möchte, braucht natürlich schon einen Webstuhl mit 150 cm Webbreite. Aber nicht jeder kam allein zurecht mit dem neuen Hobby, mancher hatte einfach nicht genug Zeit und auf vielen Webstühlen ist sicher nicht allzu oft gewebt worden. Irgendwann ebbte der Boom ab und etliche Webstühle wanderten in die Keller oder auf die Dachböden.
  

Gunillas Webstuhl war auf dem Dachboden des Vaters gelandet. Nach dessen Tod mußte nun die Wohnung geräumt werden und da sich große Webstühle momentan fast nicht verkaufen lassen, bot sie ihn als Geschenk an. Nur die Webbank wollte sie gern behalten.
 

So hat sich also der "Holzhaufen" im Kaminzimmer verdoppelt.
Während man dem Webstuhl aus Onsala ansieht, dass er eifrig benutzt worden ist, sieht  der Zweite aus wie neu, es sind noch nicht einmal die Abdrücke der Anlängerschnüre an den Bäumen zu erkennen. Er ist mit 10 Schäften und 10 Tritten ausgestattet, ist natürlich wieder kein Kontermarschwebstuhl aber es sind sog. Drälltrissor dabei, die es ermöglichen  10-schäftig zu weben.



Die Rädchen an den Schaftaufhängungen sind anders als bei den heutigen Webstühlen alle noch aus Holz gefertigt.



Und außer einem weiteren Spulrad und fünf handgefertigten Schiffchen gab es noch 4 Kämme dazu.


Alle Kämme sind dank der Aufbewahrung auf dem trockenen Dachboden völlig rostfrei.


Vielleicht hat ja auch das Einwickeln in Zeitungspapier geholfen, dass die Kämme so gut erhalten sind, auf jeden Fall konnte man durch diese spezielle Verpackung sehen, dass der Webstuhl seit mehr als 30 Jahren, nämlich seit Mittwoch, dem 20. Januar 1982,  nicht mehr in Benutzung gewesen ist.




Zwei der Kämme, mit der Einteilung 30/10 und 50/10 sind 135 cm lang, der Kamm mit der Einteilung 65/10 misst 110 cm und ein 80/10 Kamm 120 cm. Ich fand es seltsam, dass bei einem Webstuhl mit einer Webbreite von 150 cm kein entsprechend langer Kamm dabei war. Das brachte mich auf die Idee, die Bäume einmal nachzumessen und siehe da - es handelte sich gar nicht um einen riesigen 150er Webstuhl sondern einen absolut neuwertigen Glimåkra Standard mit 135 cm Webbreite - meinem Traummaß!

Was für ein Geschenk!